Bei den ganzen Diskussionen zu den Problemen unserer Sozialversicherungen wird praktisch nie
der Bereich der versicherungsfremden Leistungen angesprochen. Dies obwohl dieses Phänomen
sowohl die Renten- wie auch die Krankenkassen betrifft. In beiden Kassen werden erhebliche
Beträge für diese Art von Leistungen ausgegeben und zweckentfremdet. Bei einigen dieser
Leistungen gibt es berechtigte Diskussionen, ob es sich dabei wirklich um versicherungsfremde
Leistungen handelt, bei anderen Leistungen ist das jedoch fraglos der Fall.
Im Netz findet man dazu einige Aussagen. So u.a. vom Bundesrechnungshof:
https://www.bundesrechnungshof.de/SharedDocs/Downloads/DE/Berichte/2023/hauptband-
2023/09-volltext.pdf?__blob=publicationFile&v=4
Darin führt der Bundesrechnungshof u.a. wie folgt aus:
„Die Versicherungsleistungen der allgemeinen Rentenversicherung (Rentenversicherung) beruhen
auf vorher gezahlten Beiträgen. Darüber hinaus erbringt die Rentenversicherung auch
Leistungen, die nicht beitragsgedeckt sind. Diese sollen gesamtstaatliche Aufgaben erfüllen
und gelten deshalb als versicherungsfremd. Die Bundeszuschüsse an die Rentenversicherung
sollen diese versicherungsfremden Leistungen pauschal abgelten.“
„Der Bundesrechnungshof empfiehlt dem BMAS (Bundesministerium für Arbeit und Soziales), Transparenz bei den versicherungsfremden Leistungen herzustellen. Dazu sollte es die versicherungsfremden Leistungen zumindest in der Bandbreite der engen und erweiterten Abgrenzung der DRV Bund benennen und ihre Höhe berechnen. Das Ergebnis sollte es regelmäßig zum Beispiel im Rentenversicherungsbericht veröffentlichen.“
Unter Punkt 9.1 Prüfungsfeststellungen führt der Rechnungshof weiter aus:
„Welche Leistungen der Rentenversicherung konkret versicherungsfremd sind, ist nicht geklärt.
Es gibt keine gesetzliche Abgrenzung, nur verschiedene Vorschläge von unterschiedlichen
Institutionen, wie man versicherungsfremde Leistungen von Versicherungsleistungen
abgrenzen könnte. Die DRV Bund arbeitet mit einer engen und einer erweiterten Abgrenzung.
Die enge Abgrenzung stammt vom Verband Deutscher Rentenversicherungsträger aus
dem Jahr 1995. Nach dieser gelten beispielsweise folgende Leistungen der Rentenversicherung
als versicherungsfremd:
• Leistungen, die Kindererziehung honorieren,
• Rentenzuschläge für Personen mit vormals niedrigen Einkommen wie die Grundrente und
• Zeiten, die rentenerhöhend wirken, in denen jedoch keine oder geringe Beiträge entrichtet
wurden.
Die erweiterte Abgrenzung der DRV Bund basiert auf einem Bericht der Bundesregierung an
den Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages aus dem Jahr 2004. Sie stuft zusätzlich
Folgendes als versicherungsfremd ein:
• Teile der Hinterbliebenenrenten und
• Teile der in den neuen Bundesländern gezahlten Renten.
Der Bund zahlte im Jahr 2022 rund 108 Mrd. Euro an die gesetzliche Rentenversicherung.
Davon waren 81 Mrd. Euro Bundeszuschüsse. Der Rest entfiel auf Beitragszahlungen, Erstattungen,
den Defizitausgleich für die knappschaftliche Rentenversicherung und sonstige Leistungen.
Die Bundeszuschüsse sollen die finanzielle Stabilität der Rentenversicherung in der alternden Gesellschaft gewährleisten (Garantenfunktion). Zudem ist gesetzlich festgelegt, dass sie pauschal die nicht beitragsgedeckten (versicherungsfremden) Leistungen abgelten sollen. Wegen des pauschalen Charakters der Bundeszuschüsse gibt es keinen direkten Zusammenhang
zwischen der Höhe der Bundeszuschüsse und der Höhe der versicherungsfremden Leistungen. Nach einhelliger Auffassung sollten aber nicht die Beitragszahlenden, sondern alle Steuerzahlenden, also die gesamte Gesellschaft die versicherungsfremden Leistungen finanzieren.“
Oder:
„Die DRV Bund berechnet die versicherungsfremden Leistungen nach eigenen Annahmen. Sie
veröffentlicht das Ergebnis in unregelmäßigen Abständen, zuletzt für das Jahr 2020. Nach
der engen Abgrenzung beliefen sich die versicherungsfremden Leistungen auf 63,3 Mrd.
Euro. Gemäß der erweiterten Abgrenzung machten sie 112,4 Mrd. Euro aus. Die 4
Bundeszuschüsse betrugen im Jahr 2020 insgesamt 75,3 Mrd. Euro und lagen damit innerhalb
der Bandbreite zwischen der engen und der erweiterten Abgrenzung. Gleiches galt für die Jahre 2017 und 2009 (vgl. Abbildung 9.2). Die Bundeszuschüsse und die Höhe der versicherungsfremden Leistungen waren immer wieder Gegenstand von Anfragen und Anträgen im Bundestag.“
Wie einfach es sich die Politik macht, wird an dieser Aussage deutlich:
„BMAS gegen konkrete Abgrenzung und Transparenz
Das BMAS hat erläutert, dass in den gesetzlichen Regelungen keine Koppelung der Bundeszuschüsse
an eine Höhe der versicherungsfremden Leistungen angelegt sei. Insoweit sei es
nicht weiterführend, die versicherungsfremden Leistungen auszuweisen. Da diese nicht eindeutig
definiert sind, sei auch nicht möglich, sie aufzulisten. Eine solche Auflistung würde
auch nicht zur Transparenz beitragen. Die Diskussion um die versicherungsfremden Leistungen
würde häufig nicht aus Gründen der Transparenz geführt. Es ginge vielmehr – je nach Interessenlage
– darum, die Forderung nach höheren oder niedrigeren Bundeszuschüssen zu begründen.
Der Gesetzgeber habe nicht allgemeingültig abgegrenzt, wann Leistungen als versicherungsfremd
anzusehen sind. Grund hierfür ist, dass es weder möglich noch sinnvoll sei, die versicherungsfremden
Leistungen in der Rentenversicherung getrennt auszuweisen. Seit Jahrzehnten würde darüber diskutiert, welche Leistungen als versicherungsfremd anzusehen sind und was zum sozialen Ausgleich innerhalb der Rentenversicherung zählt. Aufgabe des Gesetzgebers sei es nicht, eine Leistung als „versicherungsfremd“ oder „nicht versicherungsfremd“ einzustufen. Der Gesetzgeber beschließe transparent sowohl den Leistungskatalog der Rentenversicherung als auch die Art der Finanzierung. Er bestimme, in welchem
Umfang die Beitrags- und die Steuerzahlenden zur Finanzierung der Leistungen herangezogen
werden.“
Als Bürger, Steuerzahler und Wähler kann man eine solche Aussage nur als Zumutung empfinden.
Eine angeblich fehlende Definition soll vor Transparenz schützen. Wie wäre es, wenn man eine
Definition, egal ob eng oder erweitert, machen würde und diese zur allgemeinen Diskussion bei den
jährlichen Haushaltsdebatten stellen würde? Wieso spielt man hier derart mit gezinkten Karten?
Die Würdigung dieser Vorgänge fällt seitens des Bundesrechnungshofes deshalb auch entsprechend
deutlich aus. Auch hierzu zitiere ich teilweise den Bundesrechnungshof. Unter Punkt 9.2 stellt
dieser fest:
„9.2 Würdigung
Der Bundesrechnungshof sieht bei den versicherungsfremden Leistungen vor allem einen
Mangel an Transparenz. Weder dem Parlament noch der Öffentlichkeit ist bekannt, welche
gesamtstaatlichen Leistungen die Rentenversicherung erbringt. Zwar gibt es keine gesetzliche
Regelung, die einen direkten Zusammenhang zwischen der genauen Höhe der Bundeszuschüsse
und der genauen Höhe der versicherungsfremden Leistungen herstellt. Allerdings
ergibt sich sehr wohl ein sachlicher Zusammenhang, weil gesamtstaatliche Aufgaben von der
gesamten Gesellschaft, also aus Steuermitteln, und Versicherungsleistungen aus Beitragsmitteln
zu finanzieren sind. Andernfalls finanzieren die Beitragszahlenden Leistungen, die
Aufgaben des Gesamtstaates sind, oder die Steuerzahlenden finanzieren Versicherungsleistungen.
Deshalb ist es sinnvoll, die Höhe der versicherungsfremden Leistungen offenzulegen.
Dies würde Transparenz bei den versicherungsfremden Leistungen schaffen.“
(Fettungen im obigen Zitat durch mich)
Weitere Links zum Thema:
Eine Anfrage der AfD Bundestagsfraktion zum Thema:
https://dserver.bundestag.de/btd/20/144/2014454.pdf
und weitere Infos:
Selbst die Gewerkschaften stellen die Unwucht dar, aber leider sehe ich keine wirklichen
Bemühungen das politisch zu bekämpfen und abzustellen:
https://www.boeckler.de/de/boeckler-impuls-versicherungsfremde-leistungen-7380.htm
Dies obwohl es klare Aussagen im Text gibt:
„Unterm Strich machen die Bundeszuschüsse aber nicht wett, dass die Sozialversicherungen für
Leistungen aufkommen, die eigentlich von der Allgemeinheit getragen werden müssten, also aus
Steuermitteln. 83,7 Milliarden Euro blieben 2002 als versicherungsfremde Leistungen übrig -
dabei geht das DIW von einer weiten Definition der "versicherungsfremden Lasten" aus. Selbst
wenn man diese enger fasst, bleiben nach Berechnungen des Instituts 35,3 Milliarden Euro, die
falsch - zu Lasten von Beitragszahlerinnen und Beitragszahlern - finanziert sind.
Kein Pappenstiel: Die fehlfinanzierten 83,7 Milliarden Euro entsprechen laut DIW einem
"Aufkommen von gut neun Beitragspunkten". Selbst bei der engen Definition bleibe immer
noch ein Aufkommen von knapp vier Beitragspunkten. Um diese Größenordnung ließen sich die
Beiträge also senken, wenn die Ausgaben der Sozialversicherung richtig finanziert würden.“
(Fettungen im zweiten Absatz durch mich)
https://www.ihre-vorsorge.de/rente/nachrichten/bundesrechnungshof-kosten-nichtbeitragsgedeckter-
drv-leistungen-beziffern
Es würden die Arbeitgeber wie auch die Arbeitnehmer massiv entlastet, wenn hier endlich für
Gerechtigkeit gesorgt würde. Es ist an der Zeit die Quersubventionierung des Bundeshaushalts mit
Beiträgen aus den Sozialversicherungen zu beenden.
Aktuell gehen diverse Publikationen von bis zu 909 Milliarden Euro an bereits zweckentfremdeten
Beiträgen, sogenannten „versicherungsfremden Leistungen“ aus:
https://dvg-ev.org/2021/08/staat-prellt-rentenkasse-um-909-milliarden/
https://taz.de/Rentenexperte-Otto-Teufel/!5127666/
Hier besteht also riesiger Handlungsbedarf.
Wir werden dieses Thema mit Beispielen noch vertiefen.
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